- Herztransplantation: Überleben mit Ersatz
- Herztransplantation: Überleben mit ErsatzDer Wunsch, das erkrankte und nahezu funktionsuntüchtige Zentralorgan des menschlichen Körpers durch das funktionstüchtige Herz eines fremden Menschen zu ersetzen, ist kaum 100 Jahre alt. Erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurden überhaupt Organtransplantationen in Erwägung gezogen, doch die Idee scheiterte zunächst an chirurgischen Problemen, vor allem aber an der unbeherrschbaren Abstoßungsreaktion des menschlichen Körpers gegenüber fremden Geweben. Erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts bemühten sich die Chirurgen erneut um den Ersatz des erkrankten Herzens und richteten ihr Augenmerk zunächst auf die Entwicklung eines künstlichen Organersatzes. Parallel dazu entfalteten sich aber auch neue Anstrengungen hinsichtlich der Transplantation natürlicher Herzen. Bereits 1959 gelang es den amerikanischen Chirurgen Richard R. Lower und Norman E. Shumway, einem Hund ein fremdes Herz einzusetzen. Das Tier überlebte für einige Tage. Bis 1965 konnte die Überlebenszeit im Tierversuch dann schließlich auf mehrere Monate gesteigert werden, wofür besonders die inzwischen mehr oder weniger beherrschbare Abstoßungsreaktion mit dem 1959 entwickelten abstoßungshemmenden Medikament INN sowie verbesserte Methoden zur Konservierung des Spenderherzens beigetragen haben. Schließlich war es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Herztransplantation auch am Menschen erprobt werden würde. Die Sensationsmeldung kam jedoch nicht aus Amerika, sondern aus dem Süden des Schwarzen Kontinents.Sensationsmeldung aus KapstadtKein Mensch erwartete im Jahre 1967 hoffnungsvolle Nachrichten aus Südafrika. Das rassistische Apartheidregime der südafrikanischen Republik hatte allen moralischen Kredit in der Welt verspielt, als am 3. Dezember 1967 die Nachrichtenagenturen unerwartet sensationell Positives vom Kap der Guten Hoffnung berichteten. Am Groote-Schuur-Krankenhaus in Kapstadt hatte ein mutiges Chirurgenteam unter der Leitung des 45 Jahre alten Herzoperateurs Christiaan Barnard die erste Übertragung eines Herzens von Mensch zu Mensch erfolgreich gewagt.Das Schicksal führte an diesem Tag im Süden Afrikas zwei Menschen zusammen, die einander im Leben nie begegnet waren und sich auch am 3. Dezember nicht mehr persönlich kennen lernen sollten. Die 24 Jahre junge Denise Darvall hatte in den frühen Morgenstunden einen schweren Verkehrsunfall erlitten und war mit unheilbaren Hirnverletzungen sterbend ins Groote-Schuur-Hospital eingeliefert worden. Auch der 54-jährige Lebensmittelhändler Louis Washkansky lag dort, und auch er war sterbenskrank. Washkansky litt an Diabetes, sein Herz hatte durch mindestens drei Infarkte in den Jahren zuvor schwerste Schädigungen erfahren. Washkansky wartete auf den sicheren Tod, als ihm die Ärzte noch vor Sonnenaufgang eröffneten, dass sie es wagen wollten, ihm das Herz der zu diesem Zeitpunkt nur noch künstlich am Leben erhaltenen jungen Frau zu übertragen. Der Patient willigte ein, zumal die Ärzte zwischen ihm und der Spenderin eine verträgliche Blutgruppe und ein ähnliches Gewebemuster festgestellt hatten.Angst, aber auch Hoffnung begleiteten Washkansky in die Narkose vor dem historischen Eingriff. Er sollte mehr als fünf Stunden dauern. Operiert wurde in zwei benachbarten Sälen. In einem lag Denise Darvall; die junge Frau wurde, nachdem der Neurochirurg ihre Hirnverletzungen für unbehandelbar erklärt hatte, an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und auf 16 ºC abgekühlt. Dann entfernten die Chirurgen in knapp zwei Minuten ihr Herz und brachten es in Washkanskys Operationssaal. Nur vier Minuten benötigten die Ärzte, um das Herz der jungen Frau vom Blut des 54-jährigen Empfängers durchströmen zu lassen. Nun wurde auch die Körpertemperatur Washkanskys bis auf 30 ºC durch die angeschlossene Herz-Lungen-Maschine abgekühlt. Dann schnitten die Chirurgen das kranke Herz des Patienten heraus und implantierten an seiner Stelle das von Denise Darvall. Bei der angewandten Operationsmethode nach Shumway wurden Teile der Empfängervorhöfe manschettenartig für die Fixierung des Spenderherzens genutzt. Zunächst fügte Barnard die beiden Vorhöfe zusammen und schloss dann die Lungenarterien und die Aorta an. Das Herz schlug noch nicht; erst musste die Köpertemperatur Washkanskys wieder auf 36 ºC angehoben werden, um es elektrisch wieder zum Schlagen anregen zu dürfen - dann der entscheidende Moment und die entscheidende Frage: Würde es gelingen, Darvalls Herz in Washkanskys Körper wieder zum Pulsieren zu bringen? Bereits der erste Elektroschock des Defibrillators brachte den Erfolg. Darvalls, nun Washkanskys Herz schlug mit einer zufrieden stellenden Frequenz von 120 Schlägen pro Minute. Seit dem Eintreffen des Spenderherzens in Washkanskys Operationssaal um 3.01 Uhr bis zum seinem ersten Schlag im Brustkorb des Empfängers waren weniger als drei Stunden vergangen. Um 6.13 Uhr beendeten die Chirurgen die Operation.Louis Washkansky, der Empfänger des ersten Spenderherzens in der Geschichte der Medizin, sollte sein neu gewonnenes Leben nicht lange genießen dürfen. Zwar war die Operation geglückt, aber eine schwere, nicht beherrschbare Lungenentzündung setzte seinem Leben bereits 18 Tage nach der Transplantation ein Ende. Eine Reihe ähnlicher Operationen folgte in den nächsten Jahren, doch die Probleme dieser frühen Phase der Herztransplantation, insbesondere in der Bekämpfung der Abstoßungsreaktion des Organismus waren zunächst zu groß für dauerhafte Erfolge. Schritt für Schritt konnte das Abstoßungsproblem gelöst werden. Seit 1969 standen bessere Abstoßungshemmer zur Verfügung. Wenige Jahre später erleichterte die venös durchgeführte Herzmuskelgewebsprobe, die transvenöse Myokardbiopsie, die Frühdiagnostik der Abstoßungsreaktion, und 1980 war der hochwirksame Abwehrhemmer Cyclosporin A einsatzbereit. In den folgenden Jahren stieg die Ein-Jahres-Überlebensrate der Transplantationspatienten bemerkenswert rasch. Im Jahre 1985 betrug sie 85 %, und nun wagten Chirurgen auch häufiger die Operation. Ende 1985 waren bereits 2 577 Herzen erfolgreich transplantiert, bis 1988 sollten es mehr als 8 000 sein.Spender und EmpfängerDie Herztransplantation ist inzwischen ein etabliertes Therapieverfahren, aber sie bedarf aufgeklärter Spender, die ihr Herz nach der sicheren Feststellung des eigenen Hirntods zur Verpflanzung in einem Spenderausweis dokumentiert zur Verfügung stellen. Bei der Spenderauswahl kommen vor allem Verletzte mit tödlichem Schädel-Hirn-Trauma ohne schwere Schädigung von Organsystemen infrage. Entscheidendes Kriterium für die Entnahme des Spenderherzens ist die sichere Todesfeststellung, das heißt die Feststellung des Hirntods des Spenders, durch mindestens zwei unabhängig von einander diagnostizierende Ärzte ohne Abhängigkeitsverhältnis zum transplantierenden Chirurgenteam. Die Entnahme kann in Deutschland nur nach Vorliegen einer testamentarischen Verfügung oder mit Einverständnis der Angehörigen des Verstorbenen erfolgen.Das Spenderherz wird dann unter maschineller Beatmung des Hirntoten entnommen, mit einer »herzlähmenden« Lösung bei 4 ºC durchgespült und kalt konserviert. Der Kreislauf des Empfängers sollte möglichst stabil sein; Blutgruppen- und Zellverträglichkeit sind zwingend erforderlich, und das Alter des Empfängers sollte nicht über 40 Jahre liegen. Unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine wird zunächst das funktionsgestörte Herz des Empfängers entnommen, sodann das Spenderherz eingepasst und mit den analogen Gefäßstrukturen des Empfängers durch Nähte verbunden. Während der Wundheilung bleibt der Patient unter möglichst sterilen Bedingungen zunächst auf einer Intensivstation, um der erhöhten Infektionsgefährdung in der postoperativen Phase Rechnung zu tragen.Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart
Universal-Lexikon. 2012.